Bist du manchmal genervt von deiner lästigen (Haus-)Arbeit? Heute möchte ich dir einen Einblick in ein indisches Kloster geben und dir erzählen, wie selbst Kloputzen zum Vergnügen wird.
Seit 3 Monaten bin ich nun schon im indischen Kloster. Und was ich hier an Engagement und Hilfsbereitschaft erlebt habe, hat alles übertroffen, was mir bisher in meinem Leben begegnet ist. Mit wie viel Freude und Hingabe die Menschen hier ihre tägliche Arbeit verrichten, ist inspirierend. Das ganze Kloster wird von Freiwilligen betrieben. Alle Tätigkeiten werden von den Bewohnern und Besuchern des Klosters erledigt. Jeder ist eingeladen und aufgerufen mitzuhelfen. Selbst wenn er nur einen Tag hier ist. Denn die Freiwilligenarbeit, der sogenannte Seva, ist ein wichtiger Bestandteil der spirituellen Praxis hier.
Die Auswahl an Tätigkeiten ist erstaunlich vielfältig. Hier ein Auszug davon:
Essensversorgung (Gemüse schneiden, Kochen, Teller waschen, Essen verkaufen)
Reinigung (Zimmer, Klos, Meditationshallen)
Abfallmanagement (Müll sammeln am Strand, Recycling)
Kreative Arbeit (Nähen, Bücher basteln, Tanz, Malen)
Verkauf (Souvenirshops, Cafés, Flohmarkt, Second-Hand-Shop)
Gartenarbeit (Gießen, Anbau, Reparaturen)
Service (Rezeption, Informationscenter)
Gesundheit (Massage, Pflege von Menschen im Rollstuhl, Fitness)
Diese Dienste werden wirklich freiwillig verrichtet. Warum das Ganze?
Karma Yoga als Weg zu Erfüllung
Amma lehrt neben klassischen spirituellen Praktiken wie Meditation und dem Studium der alten Schriften auch das sogenannte Karma Yoga – Yoga der selbstlosen Tat. Diese Praxis reinigt unseren Geist von Egoismus und macht uns glücklicher.
„Versuche, jeden Tag zumindest eine Stunde etwas für andere zu tun. So wie Essen unseren Körper nährt, nährt selbstloser Dienst unsere Seele.“ Amma
Amma geht mit gutem Beispiel voran. Sie hat ihr ganzes Leben in den Dienste der Menschheit gestellt. Neben ihrer Aufgabe als spirituelle Führerin leitet sie auch eine der größten humanitären Organisationen weltweit und arbeitet auch aktiv darin mit. Auf ihren Touren um die Welt ist sie stets an vorderster Front. Sie steht mit Gummistiefeln im Gatsch, um Hochwasseropfern zu helfen, und verteilt Essen an Menschen, die ihr Zuhause verloren haben.
Ammas Inspiration ist deutlich zu spüren und hat mir gezeigt, dass ich Freude an JEDER Tätigkeit haben kann. Ich habe in den vergangenen Monaten viele verschiedene Seva (Freiwilligendienste) ausprobiert und dabei viel über mich gelernt.
Die Freude liegt in dir
Zunächst habe ich beim Gemüseschneiden geholfen. Dabei durfte ich mehrmals neben einem alten Mann sitzen, der mit soviel Ruhe und Gelassenheit Knoblauch geschält hat, dass mich allein sein Anblick in einen Zustand tiefen Friedens versetzt hat. Nach zwei Stunden Knoblauchschälen war ich total glücklich – obwohl meine Hände noch tagelang den Knoblauchgeruch hatten. 😉
Ein anderes Mal habe ich Zimmer geputzt. Und dabei nicht nur dankbar festgestellt, wie viel Glück ich mit meinem eigenen Zimmer habe, sondern auch eine tiefe Erfüllung gespürt. Obwohl manche Zimmer echt kein angenehmer Anblick waren, als ich sie betreten habe, war es doch eine tiefe Befriedigung, zu wissen, dass ich jemand anderem die Ankunft schöner gestalten kann. Selbst als ich kniend das stinkende Klo geputzt habe, habe ich dabei einen tiefen Frieden gespürt. Amma sagt dazu auch:
„Erledige deine Arbeit und erfülle deine Pflichten mit ganzem Herzen. Versuche selbstlos und mit Liebe zu arbeiten. Lasse dein ganzes Wesen einfließen in was auch immer du tust. Dann wirst du die Schönheit in jedem Arbeitsbereich erleben. Liebe und Schönheit sind in dir. Versuche diese durch deine Handlungen auszudrücken und du wirst gewiss in die wahre Quelle der Glückseligkeit eintauchen.“ Amma
Diese Worte haben mich dazu inspiriert, überall meine Kreativität einfließen zu lassen. Die dunklen Flecken am Spiegel habe ich mit einer liebevollen Botschaft überklebt und Willkommensbotschaften im Zimmer verteilt.
Über Geduld und unsere Muster
Die Arbeiten hier im Kloster haben mich viel gelehrt: Darüber, wie ich auch in meinem Berufsalltag mit mir und anderen umgehe. Ich habe gemerkt, wie streng ich oft zu mir war. So habe ich mich beim Gemüseschneiden einmal so ins Zeug gelegt, dass mein Handgelenk tagelang geschmerzt hat. Dabei habe ich gelernt, dass ich besser auf meinen Körper achten darf: Denn nach tagelanger Pause habe ich schließlich den Dienst gewechselt, weil die Arbeit mit dem Messer jedes Mal den Schmerz ausgelöst hat.
Eine Zeit lang habe ich mir dann einfach erlaubt, meine ganze Energie in die Vorbereitung des Weihnachtstanzes für Amma zu stecken (Falls du den Blogbeitrag dazu nicht kennst, dann schau ihn dir unbedingt an: Herzensreise: Reisen & Yoga im Ausland, inkl. Ashram Erfahrungen in Indien).
Dabei durfte ich ein anderes Muster von mir beobachten: Die Angst, nicht hart genug zu arbeiten. Ich hatte ziemlich große Schuldgefühle, weil alle anderen in der Gruppe nebenbei noch so hart gearbeitet haben. Verzweifelt habe ich darum nach einem neuen Seva gesucht: Ich wollte einer Frau im Rollstuhl helfen. Doch die Chemie zwischen uns hat zum Glück nicht gepasst, denn so recht habe ich mich in dieser Rolle nicht wohl gefühlt. Ein paar Wochen war ich am Zweifeln, wie ich mich denn sinnvoll einsetzen könnte, ohne mich selbst zu verletzen.
Hingabe öffnet alle Türen
Amma hat mir wenig später die Antwort gebracht. Wie aus dem Nichts hat mich ein Mann beim Frühstück in ein Gespräch verwickelt und gefragt: „Du magst Bäume, oder?“ Irritiert habe ich genickt. Als er mich dann gefragt hat, welches Seva ich mache, war ich zunächst skeptisch. Doch er war zum Glück weniger schüchtern. 😉 Er mich eingeladen, ihn in den Garten zu begleiten, um dort Seva zu machen. Das war eines der größten Geschenke, die er mir machen konnte.
Der Garten liegt 20 Minuten Fußweg entfernt vom Kloster. Schon der Weg dorthin hat mir etwas Abstand zum hektischen Alltag gegeben. Denn manchmal ist es mit 3000 Menschen auf engem Raum schon recht intensiv. 😉 Als ich den Garten zum ersten Mal betreten habe, konnte ich mein Glück kaum fassen: Welch ein Ort des Friedens und der Freude! Herzlich hat mich der Mann herumgeführt. Es hat sich herausgestellt, dass er mein Nachbar ist und mich beim Umarmen der Bäume beobachtet hat. So ein schönes Beispiel für die Großzügigkeit des Lebens: Wenn wir etwas aus vollem Herzen tun, dann ziehen wir viel Schönes an, was dazu passt. So wie ich in diesem Fall diese Arbeit.
Meine Hauptaufgabe im Garten war es, die heiligen Rudrashka-Bäume zu gießen. Ihnen wird eine heilende Wirkung nachgesagt. Diese Arbeit hat mir geholfen, meinen rastlosen Geist zur Ruhe zu bringen: 5 Minuten lang habe ich jeden Baum gegossen – für 1,5 Stunden. 😉 Und mich danach wie nach einem Wellnessurlaub gefühlt. Denn ich hatte ja genügend Zeit, dabei die Bäume zu umarmen oder neben ihnen Yoga zu machen. Auch beim Unkrautjäten und Melanzanipflanzen war ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit in mir.
Liebe heilt alle Wunden
Neben der Schönheit der Tätigkeit hat mich bei der Arbeit im Garten auch die Liebe meiner Kollegen berührt. Ich wurde mehrmals erinnert, nicht zu viel zu machen. Aufzuhören, wenn ich Schmerzen hätte oder die Arbeit in der Hitze zu anstrengend wird. Eine meiner Vorgesetzten hat sogar einmal gesagt: „Setzt euch einfach in den Schatten, wenn es zu heiß wird, und esst eine Kokosnuss.“
Mit der Zeit hat meine Angst, zu wenig zu leisten, abgenommen. Vielmehr habe ich mir erlaubt, einfach so zu sein, wie ich eben gerade bin. Ich habe verstanden, dass es für jeden die richtige Arbeit zur richtigen Zeit gibt. Dass ich mich nicht zwanghaft in eine Rolle quetschen muss, die gerade nicht stimmt.
Durch diese Liebe, Geduld und Fürsorge ist meine Hand geheilt und damit auch meine Lust gestiegen, mich auch in anderen Diensten einzubringen.
Ich habe ich begonnen, nebenbei beim Tellerwaschen auszuhelfen, Müll aufzusammeln, Neuankömmlingen im Kloster ihre Fragen zu beantworten oder auch mal Yoga am Strand zu unterrichten. Doch anders als bisher war der Antrieb nicht aus dem Gefühl heraus, nicht genug zu sein und mehr leisten zu müssen. Sondern aus purer Lust und Freude. Denn ich habe entdeckt, dass Seva meine Laune jedes Mal verbessert. Es ist das wirkungsvollste Mittel gegen negative Gefühle – damit kann kein Kuchen der Welt mithalten. 😉
Besonders freudvoll ist der Transport von Amma-Broschüren. Jeden Nachmittag bildet sich auf den Stufen vor dem großen Tempel eine Menschenschlange. Eine halbe Stunde lang werden dabei Prospekte von einer Hand in die nächste gereicht und in einen großen Lastwagen transportiert. Dabei kommt man ganz schön ins Schwitzen, denn es ist erstaunlich, wie viele Broschüren täglich verschickt werden. Doch jedes Mal bin ich nach dieser Arbeit mit einem breiten Grinsen im Gesicht nach Hause gegangen.
Außerdem habe ich gemerkt, dass auch meine restlichen Arbeiten freudvoller geworden sind. Wenn ich mein eigenes Zimmer putze, dann schenkt mir das mehr Freude. Wenn ich am PC arbeite (was nicht meine Lieblingsaufgabe ist), erinnere ich mich daran, dass ich den Blog ja nicht (nur) für mich mache, sondern andere Menschen damit inspirieren möchte. Diesen Tipp möchte ich dir mit an die Hand geben:
Entscheide dich bewusst bei jeder Aufgabe, dass du sie mit vollem Herzen machst, und sie wird dir so viel mehr schenken, als du je von ihr erwartet hättest.
Finde die Freude in allem
Ich wünsche mir, dass diese Geschichten dich inspirieren. Die Freude, etwas zu tun, ohne eine Gegenleistung oder ein egoistisches Ergebnis erreichen zu wollen, ist unbeschreiblich. Wenn du das nächste Mal schlechte Laune hast, probiere einmal aus, was passiert, wenn du statt Youtube die Tür zu deinem Herzen öffnest. Hier ein paar Ideen:
Komplimente an Menschen auf der Straße (oder der Supermarkt Kassa verschenken)
Müll aufsammeln (statt sich über den Dreck zu beschweren)
Einer alten Person über die Straße helfen
Einer alten Person die Einkaufstasche abnehmen und nach Hause tragen
Jemanden auf einen Kaffee einladen – einfach so
Viel Spaß beim Ausprobieren! Ich freue mich auch, wenn du deine Erfahrungen mit mir teilst: julia@herzenslachen.at
Alles Liebe
Julia
Comments