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Julia Grammel

Über Affen und duftendes Gold

Wenn Affen in ein Kloster mit 3000 Menschen kommen, dann kann das ganz schön viel Chaos anrichten. Was das alles mit duftendem Gold zu tun hat, erfährst du in diesem Blogbeitrag.


Stell dir vor du siehst einen Affen, der in einem Käfig gefangen ist und der wild versucht, sich zu befreien. Niemand außer dir ist da und du weißt, wie man den Käfig öffnet. Was würdest du tun?



Warum ich dich so etwas Seltsames frage? Das erkläre ich dir gleich. Doch dazu muss ich etwas ausholen: Es ist 18:00 Uhr und ich betrete die Meditationshalle im indischen Ashram. Gebannt lausche ich den Worten eines Vortrags vor mir. Der heutige Redner fesselt mich mit seinen Worten. Doch kurz später tupft mir eine Dame auf die Schultern und sagt mir, ich solle mich woanders hinstellen – ich versperre ihr die Sicht. Ich seufze und nicke. Rasch suche ich mir einen neuen Platz.


Die süße Stimme des Mitgefühls


Während mein Ego noch verärgert ist und sich fragt, warum die Sicht der anderen Person wichtiger ist als meine eigene, meldet sich langsam eine weiche Stimme in mir und sagt: „Versetze dich doch mal in ihre Lage. Sie findet den Vortrag doch auch einfach spannend und möchte ihn in vollen Zügen genießen.“ Ich bin selbst erstaunt von der Sanftheit dieser Stimme. Es ist die Stimme des Mitgefühls – vor ein paar Wochen war die noch nicht so da. „Das liegt wohl an Amma. Dass sie uns jeden Tag daran erinnert, an das Wohle aller zu denken, zeigt seine Wirkung“, denke ich. Ich lächle bei dem Gedanken und Frieden kehrt ein. Ich bringe meine Aufmerksamkeit zurück zum Vortrag. Jeglicher Ärger ist verschwunden.


Der junge Mann auf der Bühne spricht gerade von seinen Erfahrungen im Kloster. Er heißt Tom, ist Engländer und lebt seit ein paar Jahren hier im Ashram. Es ist ein witziger Vortrag und vollgepackt mit den Missgeschicken, die er in den vergangenen Jahren hier gemacht hat. Auf einmal beginnt er eine Geschichte zu erzählen, die ich besonders packend finde.


Als zwei Affen ins Kloster kamen


Sie handelt von zwei Affen, die vor einiger Zeit plötzlich im Ashram aufgetaucht sind. Jeden Tag haben sie mehrere Menschen angegriffen, ihnen Sachen gestohlen oder sie gebissen. Sie haben alle Mülltonnen umgeworfen und ausgeleert und die Fernseher in der Meditationshalle zerstört. Kurz: Sie haben eine Menge Chaos angerichtet. Die sonst friedliche und lustige Stimmung im Kloster war auf einmal angespannter aus Sorge, was die Affen wohl als Nächstes anrichten werden.


Um die Bewohner zu schützen, wurden eigene Affenbeauftragte ernannt. Ihre Aufgabe war es, die Affen von den restlichen Bewohnern fernzuhalten und sie so gut es geht, aus dem Ashram zu vertreiben. Tom war einer der Affenjäger. Jeden Tag war es damit beschäftigt, die Affen im Zaum zu halten. Eine ziemlich nervenaufreibende Aufgabe, könnt ihr euch vorstellen.


Nach einigen Wochen wurde beschlossen, eine Affenfalle zu bauen. Es wurden Käfige mit Bananen aufgehängt, um die Affen zu fangen und dann in die freie Wildbahn zu entlassen. Bereits nach kurzer Zeit konnte einer der Affen im Käfig gefangen werden. Als Tom diese Nachricht hörte, war er erleichtert: Ein Affe weniger, um den er sich kümmern musste. Er beschloss, seinen Freund im Käfig zu besuchen.


Wenig später erreichte er die Affenfalle. Und als er so dastand und den Affen im Käfig sah, wurde er auf einmal traurig. Der Affe tat ihm leid. Seine Gedanken verfielen in eine sentimentale Stimmung. Er dachte: „Gestern ist dieser liebe Affe noch mit mir hier frei herumgelaufen. Und jetzt ist er in diesem kleinen Käfig gefangen. Das ist doch nicht fair.“ Und als er so dastand und zum Käfig blickte, kam ihm plötzlich eine Idee: „Warum befreie ich den Affen denn nicht? Amma sagt doch immer, dass wir mitfühlend sein sollen.“ Ohne lange nachzudenken, blickte er um sich – keiner außer ihm war da. Blitzschnell ging er zum Käfig, öffnete die Tür und der Affe lief sofort hinaus. Erst wenige Augenblicke später begriff Tom, was er da angestellt hatte. Er schämte sich wie ein kleiner Junge, der gerade die wertvolle Vase seiner Großmutter zerstört hat. Rasch machte er sich aus dem Staub, in der Hoffnung, dass niemand ihn beobachtet hatte.


Das schlechte Gewissen nagte an ihm, als er ein paar Stunden später zu Ammas Abendprogramm ging. Als Amma diesmal die Bühne betrat, war ihre Stimme nicht so sanft wie sonst. Toms Bauch verkrampfte sich. Er verstand zwar ihre indischen Worte nicht, doch anhand der Tonlage konnte er sehr wohl erkennen, dass das Ärger für ihn bedeutete. Als wenig später die Übersetzung folgte, war er wenig verwundert: „Amma fragt, wer den Affen freigelassen hat. Der Betroffene soll sich SOFORT melden.“


Wenn Gold zu duften beginnt


Tom zögerte wieder keinen Augenblick und trat hervor. Er rechnete damit, aus dem Kloster geworfen zu werden und mit einer strengen Strafe. Doch nachdem Amma eine Verkörperung mütterlicher, bedingungsloser Liebe ist, war ihr Verhalten ein anderes. Sie sagte: „Tom, ich schätze und würdige dein Mitgefühl. Doch du musst verstehen, dass das nicht klug war. Mitgefühl muss immer mit Weisheit zusammenkommen. Nur wenn du Weisheit mit Mitgefühl verbindest, dann ist es zum Wohle aller. Du kannst es dir so vorstellen: Die Weisheit, die wir durch Meditation erlangen, ist so wertvoll und wichtig wie Gold. Wenn wir dann noch Mitgefühl entwickeln, dann ist es so, als würde Gold zu duften beginnen.“



Tom nickte schuldbewusst, als Amma weitersprach: „Mitgefühl ohne Weisheit kann sehr irreführend sein. So wie der betörende Duft eines Kuchens verleiten kann, zu viel davon essen, so kann auch Mitgefühl, das ohne Einsicht erfolgt, großen Schaden anrichten. Du musst verstehen: Die Affen haben viel Schaden angerichtet. Sie haben mehrere Menschen verletzt, diese mussten ins Krankenhaus und gegen Tollwut geimpft werden. Das kostet viele Ressourcen: viele Menschen sind involviert und viel Geld und Zeit. Außerdem haben sie auch materiell viel zerstört, das auch viel Zeit und Geld gekostet hat. Außerdem ist ein Kloster kein geeignetes Lebensumfeld für einen Affen. Wir tun den Affen nicht weh – wir bringen sie woanders hin, wo sie sich wohler fühlen. Verstehst du das?“ Tom nickte, noch immer zerfressen von Schuld. Er rechnete damit, spätestens jetzt aus dem Kloster ausgeschlossen zu werden. Doch Amma sprach weiter: „Dann ist es gut. Lass uns den Vorfall vergessen. Nur bitte: Lass die Affen nicht mehr frei.“ Sie lachte beim letzten Satz. Und damit war die Sache erledigt. Keine Strafe. Kein Nachtragend sein. Nur Liebe, Verständnis und Mitgefühl.


Duftendes Gold ins eigene Leben bringen


Ich bin tief berührt von den Worten und sie wirken tief. Ich merke einmal mehr, dass ich am richtigen Ort gelandet bin und Amma ein gutes Vorbild ist. Ich erinnere mich an Situationen, wo ich auch dachte, mitfühlend mit mir zu sein, und es in Wahrheit nicht war: Als ich meine Arbeit, die wichtig für mich und andere war, auf morgen verschoben habe, weil ich keine Lust auf sie hatte. Aber auch, als ich mich gezwungen habe zu arbeiten, obwohl ich eigentlich krank war, um die Arbeit nicht zu verzögern. Beides war nachhaltig wenig weise und somit wohl kein duftendes Gold.


Auch, dass ich jahrelang meine tägliche Meditationspraxis wenig ernst genommen habe, weil ich sie weniger spannend fand als andere Dinge, war wenig weise. Und auch nicht mitfühlend. Denn seit ich jeden Tag 30 Minuten morgens meditiere, haben sich 90 % meiner Probleme der letzten zwei Jahre in Luft aufgelöst: Ich bin auf einmal produktiv und gleichzeitig sanft zu mir. Ich arbeite beständiger an Themen, die mir wichtig sind, ohne mich dabei zu hart ranzunehmen. Ich bin geduldiger und ausdauernder bei allem, was ich tue. Meine Konzentration ist besser – ohne Anstrengung. Ich schlafe leichter ein und mein Nervensystem ist nicht mehr so leicht aus der Ruhe zu bringen. Ich habe weniger Angst und Stress. Alles von gerade einmal 30 Minuten Meditationspraxis.


Warum ich dir das erzähle? Weil ich dich auch motivieren mag, mit Meditation zu starten. Denn die Zeit, die du darauf verwendest, wird dir soviel mehr schenken, als du dir gerade vorstellen kannst. Versprochen.


Um es dir leichter zu machen, habe ich eine einfache Meditation zum Starten für dich aufgenommen:


Was Meditation noch bringt, kannst du außerdem in diesem Blogartikel nachlesen: Über Pferdewettrennen und ein indisches Kloster (herzensreise.net)


Du bist nicht allein!


Wenn du Fragen hast, dann komme gerne auf mich zu und schreibe mir. Falls du meine Handynummer nicht hast, dann hier meine E-Mail-Adresse: julia@herzenslachen.at


Kleine Vorwarnung: Ich bin nicht immer online, d.h. bitte um etwas Geduld, falls ich nicht sofort antworte. 😉 

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