Vorgestern durfte ich endlich die Amma kennenlernen - die spirituelle Führerin des Ashrams hier. Doch die erste Begegnung war zugegebener Maßen etwas ernüchternd. Dabei hat alles begonnen wie in einem kleinen Märchenfilm...
Darf ich vorstellen: Amma.
Heute möchte ich euch eine ganz besondere Frau vorstellen: Mata Amritanandamayi, auch Amma (Mutter) genannt. Sie ist die spirituelle Führerin des Ashrams in dem ich zur Zeit wohne. Sie ist bekannt für ihre selbstlose Liebe, hat eine der größten humanitären Hilfsorganisationen der Welt gegründet und bisher 30 Millionen Menschen umarmt.
Ihre Lebensgeschichte ist zugegebenermaßen äußerst beeindruckend. Bereits mit neun Jahren begann sie sich dem Leid ihrer Nachbarschaft anzunehmen und ihnen Essen zu bringen. Und das obwohl sie aus ärmlichen Verhältnissen kam und selbst kaum etwas besaß. Ihre Familie bestrafte sie dafür, doch sie machte weiter. Sie umarmte und tröstete die Menschen. Bereits mit neun Jahren nannten Sie alle Menschen Amma (Mutter). Sie war tief berührt von dem Leid der Menschheit und beschloss etwas dagegen zu unternehmen. Sie half allen und tröstete alle, die Trost suchten. Auch als ihr mit 14 Jahren gesagt wurde, dass es sich für eine Frau nicht gehöre Männer zu umarmen ließ sie sich nicht abbringen.
Seither hat sie auf der ganzen Welt Menschen geholfen. Sie hat die Hilfsorganisation Embracing the World und der Mata Amritanandamayi Math ins Leben gerufen und leitet zur Zeit die C20 - eine indische Initiative für mehr Menschlichkeit. Doch bekannt ist sie noch heute v.a. für ihre mütterlichen, fürsorglichen Umarmungen, die sie den Menschen als Trost anbietet. Menschen von der ganzen Welt kommen, um eine Umarmung von Amma zu ergattern. Und Amma reist mit ihren 70 Jahren weiterhin um die ganze Welt, um in vollen Hallen Menschen in Meditation einzuführen und zu umarmen.
Mit den Augen der Liebe sehen.
So beeindruckend diese Geschichten auch sein mögen. Berührt hat mich in den letzten Tagen v.a. der Ausdruck in den Augen der Menschen hier, die von Amma und ihren Erfahrungen mit ihr erzählen. Es ist ein Ausdruck purer Liebe, der ihre Augen leuchten lässt, wenn sie von Amma sprechen. Davon, dass sie zu ihr meditieren, wenn sie nicht weiterwissen. Davon, dass sie aus zwei fremden Menschen ein glückliches Paar gemacht hat, das seit 17 Jahren verheiratet ist. Davon, dass allein ihre Präsenz all ihre Schmerzen in Luft aufgelöst hat.
Und es ist auch diese Liebe, die hier im Ashram deutlich spürbar ist. Überall hängen Bilder von Amma. Der Ausdruck in ihren Augen hat mich vom ersten Moment tief berührt. Dementsprechend erwartungsvoll habe ich ihre Rückkehr aus Thailand erwartet. Doch wie das sooft ist, sind Erwartungen häufig da, um enttäuscht zu werden ;-)
Es war fast wie im Märchen...
Der Tag an dem Amma zurückkam, hat die Energie im Ashram deutlich verändert. Es war irgendwie turbulenter und ich war unruhiger als bisher. Also beschloss ich den Nachmittag am Strand ein Nickerchen zu machen. Und als ich auf das offene Meer blickte, den Wellen zusah und mich dann in den weichen Sand sinken ließ, kehrte endlich Ruhe in mir ein. Ich lauschte dem Rauschen des Meers und spürte wieder den Frieden der Tage zuvor. Ich atmete auf.
Bis sich nach einiger Zeit wieder eine Unruhe breitmachte. Alle Menschen rund um mich schienen nach und nach ihre Plätze zu verlassen. Ich setzte mich auf, um zu beobachten, was hier los war. Als ich mich umdrehte sah ich, dass hinter mir eine kleine Bühne aufgebaut wurde. Einige Menschen nahmen davor Platz. Freude machte sich in mir breit: Würde Amma hier am Strand ihre erste Meditation halten? Wie malerisch. Ich ging näher und fragte eine Frau. Sie sagte: "Wir wissen es nicht. Wir bauen es auf Verdacht auf. Es ist unberechenbar, ob Amma hierher kommt oder wir es in der großen Halle machen werden." Ich beschloss dem Leben zu vertrauen und setzte mich hin.
Mit staunenden Augen beobachtete ich wie immer mehr Menschen kamen: Inzwischen waren acht Leute damit beschäftigt die Bühne aufzubauen: Verschiedene Teppiche wurden übereinandergelegt, neu arrangiert. Immer mehr Zuschauen kamen und nahmen Platz. Ich fühlte mich mit einem Mal wie ein kleines Kind, das aufs Christkind wartet: Überall um mich staunende Augen. Neben mir saß eine Frau die sagte: "Amma ist heute um 2:30 in der früh gekommen. Ich habe gewartet, um sie kommen zu sehen." - ihre Augen leuchteten voller Liebe, als sie davon sprach. Mein Herz wurde ganz weich. Und meine Neugierde Amma endlich zu sehen stieg.
Die Zeit verging und es kamen immer Menschen. Die Organisatoren wurden nervöser und gaben konkrete Anweisungen, dass wir näher zusammenrücken müssten, dass die Sessel dafür weiter hinten stehen müssten, dass Männer nur auf einer Seite sitzen dürften usw. Außerdem wurde minütlich die Yogamatte gereinigt, über die Amma zur Bühne gehen sollte. Jedes Sandkorn wurde gewissenhaft abgeputzt.
Ich müssten innerlich schmunzeln. Am Tag zuvor hatte mir ein Herr von Ammas Reise nach New York erzählt: Damals hatte sie sich geweigert in ihr Hotelzimmer zu fahren. Denn in den 40 Minuten Fahrzeit könne sie soviele Menschen umarmen. Daher schlief sie in der Umkleidekabine, die Erzählungen zufolge roch wie eine Schnapsbar. Auf einer dünnen Matte auf dem Boden. Für zwei Stunden. Um danach weiter Menschen zu umarmen. Diese Erzählung passte so gar nicht zu dem lustigen Bild, das sich mir gerade bot: Von der perfekten Vorbereitung ihres Auftritts.
Als bereits hunderte Menschen auf dem Strand waren und ihren Platz gefunden hatten, sagte plötzlich jemand: "Okay, sie ist doch in der Halle." Alle standen auf und machten sich auf in die Halle. Ich musste lachen und dachte: "Was für ein Spektakel."
...und dann kam die Ernüchterung.
Aufgeregt huschte ich mit den anderen in die Halle. Die Vorfreude war groß. Doch als ich dann in dieser Halle saß, machte sich rasch eine Unzufriedenheit breit. Hier war es weniger romantisch als am Strand. Amma war weit weg auf einer riesigen Bühne. Ich konnte sie kaum sehen. Überall waren Monitore und ihre Worte wurden in alle Sprachen übersetzt. Ich musste mich sehr konzentrieren um es lesen zu können. Die Ventilatoren über mir bliesen einen kalten Wind auf mich und ich sehnte mich nach der Tropenluft am Strand.
Ich rutschte unruhig auf meinem Sessel umher. Ammas Worte lösten viel Widerstand in mir aus. Wo war nur all die Begeisterung hin? Sie erzählte über die Grundzüge der Meditation. Und obwohl sie viele schöne Beispiele brachte, war meine Grundstimmung eher genervt. Mein Geist war weder ruhig, noch friedlich. Er plapperte ununterbrochen: "Pfff....sie redet davon nicht anzuhaften an der materiellen Welt und überall verkauft sie ihre Puppen und andere Dinge hier. Wie passt denn das zusammen? Und ihre Anhänger waren überhaupt nicht friedlich. Außerdem ist diese Halle hier blöd. Ich will zurück in den Strand. Sie sagt ich muss den Geist fokussieren, doch das geht jetzt nicht. Blablablabla...." Ich seufzte und tat mein Bestes.
Als schließlich die Meditation begann wurde ich ruhiger. Amma leitete ihre bekannte "weiße Blüten Mediation" an. Eine Meditation für den Frieden. Dabei stellt man sich vor, dass es weiße Blüten regnet: Zuerst einfach so. Dann fallen sie ins Meer, auf die Berge, auf Tiere und schließlich auf einen selbst. Als Hilfe wurden Videos auf den Bildschirmen geteilt. Ich schloss Frieden mit der Halle, denn die Bilder waren in der Tat sehr unterstützend. (Du kannst die Meditation auf Youtube ansehen, wenn du möchtest: Amma’s White Flower Meditation | Om Lokah Samastah Sukhino Bhavanthu - YouTube)
Frieden kehrte ein. Und ich entspannte mich mehr. Doch sobald die Meditation fertig war, ging es wieder los. Mein Körper schrie: Ich kann auf diesen Sesseln nicht mehr sitzen, ich muss sofort aufstehen. Und ich beschloss den Kampf niederzulegen. Ich ließ jegliche Erwartungen los, dass ich heute noch eine von Ammas Umarmungen erhaschen müsste oder es sonst irgendwas gab, das heute wichtig war. Ich stand auf und ging zum Strand.
Als ich am Meer saß und den Sonnenuntergang bestaunte lächelte ich friedlich. Ich dachte an die Bilder der Meditation und wiederholte sie. Und gestand mir zu, dass ich einfach etwas Zeit brauchte, um mich an die neuen Rahmenbedingungen zu gewöhnen. Als die Sonne untergangen war, legte ich mich auf eine Steinbank und bestaunte die Sterne. Tiefer Frieden kehrte in mir ein. Und ich dachte: Es ist doch egal, wo ich bin. Mein Ziel war innerer Frieden und den habe ich erreicht. Lächelnd ging ich ins Bett.
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